Der Bitcoin Standard

Rezension zu „Der Bitcoin-Standard: Die dezentrale Alternative zum Zentralbankensystem“ von Saifedean Ammous (2019)

Saifedean Ammous’ Buch „Der Bitcoin-Standard“ hat sich zu einem der einflussreichsten Werke der Bitcoin-Literatur entwickelt. Doch es ist weitaus mehr als nur eine technische oder ökonomische Einführung in die Kryptowährung. Ammous gelingt es, Bitcoin in einen breiten wirtschafts- und geistesgeschichtlichen Kontext einzubetten und eine faszinierende Argumentation zu entwickeln, die tief in die Denkschule der Österreichischen Schule der Nationalökonomie eingebettet ist. Dieses Buch ist nicht nur ein Plädoyer für Bitcoin, sondern auch eine Reflexion über die Geschichte und Ethik von Geld.

Rückbezug auf die Österreichische Schule der Nationalökonomie

Ein zentrales Merkmal von Ammous’ Argumentation ist seine starke Anlehnung an die Prinzipien der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, deren Theorien und Einsichten den Kern seiner Argumentation formen. Er zitiert und bezieht sich auf prominente Vertreter dieser Denkschule, insbesondere Ludwig von Mises, Friedrich August von Hayek und Carl Menger.

Carl Menger, der Begründer der Österreichischen Schule, legte den Grundstein für das Verständnis von Geld als einem spontanen, marktbasierten Phänomen, das sich aus den Bedürfnissen und Handlungen von Individuen entwickelt. Ammous greift diese Idee auf und zeigt, wie Bitcoin – ähnlich wie Gold in der Vergangenheit – sich aus einem freien Marktprozess heraus als „hartes“ Geld etablieren könnte. Besonders hervorzuheben ist Ammous’ Bezug auf Ludwig von Mises’ Konzept der „Regressionstheorie des Geldes“, welches erklärt, wie Geld seinen Wert aus seiner früheren Verwendung als Tauschmittel ableitet. In diesem Zusammenhang argumentiert Ammous, dass Bitcoin in seiner Entstehungsphase den Kriterien der Regressionstheorie entspricht.

Auch Friedrich August von Hayeks Vision eines „Entnationalisierten Geldes“, das außerhalb staatlicher Kontrolle existiert und durch den Wettbewerb auf freien Märkten entsteht, findet Resonanz in Ammous’ Darstellung. Bitcoin verkörpert für ihn genau diese Idee eines dezentralen, nichtstaatlichen Geldsystems, das sich durch seine Begrenztheit und Unabhängigkeit von politischen Eingriffen auszeichnet.

Solides versus unsolides Geld

Ein zentraler Gegensatz, den Ammous immer wieder betont, ist derjenige zwischen „solidem“ und „unsolidem“ Geld. Solides Geld – wie zum Beispiel Gold – zeichnet sich durch seine Knappheit, seine Wertbeständigkeit und seine Fähigkeit aus, langfristig Vertrauen zu schaffen. Bitcoin reiht sich hier als modernes Äquivalent ein, da es durch seinen algorithmisch begrenzten Vorrat von 21 Millionen Einheiten eine ähnliche Knappheit wie Gold aufweist.

Im Gegensatz dazu kritisiert Ammous unsolides Geld, das in Form von Fiat-Währungen wie dem US-Dollar oder dem Euro existiert. Diese Währungen, die durch Zentralbanken beliebig vermehrt werden können, führen laut Ammous zu Inflation, wirtschaftlicher Instabilität und einer Verzerrung der Anreizstrukturen in der Gesellschaft. Hier greift er erneut auf die Argumentation der Österreichischen Schule zurück, insbesondere auf die Kritik von Ludwig von Mises an der Geldpolitik und den Eingriffen des Staates in den freien Markt.

Ammous argumentiert, dass unsolides Geld nicht nur zu wirtschaftlichen Fehlentwicklungen führt, sondern auch tiefgreifende ethische Implikationen hat. Inflation wirkt wie eine versteckte Steuer, die den Wohlstand der Sparer schleichend entwertet und Vermögen von den unteren und mittleren Schichten hin zu denjenigen umverteilt, die näher an der Geldschöpfung stehen – ein Phänomen, das als „Cantillon-Effekt“ bekannt ist. Dieses Konzept, das ursprünglich vom Ökonomen Richard Cantillon formuliert wurde, wird von Ammous aufgegriffen und auf die modernen Fiat-Währungen angewendet.

Ethische Implikationen von Geld

Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt des Buches ist Ammous’ Betonung der ethischen Dimension von Geld. Solides Geld, so argumentiert er, fördert Tugenden wie Sparsamkeit, langfristiges Denken und Verantwortungsbewusstsein. Historisch gesehen war die Verwendung von hartem Geld mit Zeiten wirtschaftlichen Wachstums und kultureller Blüte verbunden. Im Gegensatz dazu fördert unsolides Geld kurzfristiges Denken, Verschuldung und die Abkehr von einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik.

Bitcoin sieht Ammous als ein Werkzeug, um die moralischen Grundlagen der Gesellschaft zu stärken. Durch seine Knappheit und Unveränderlichkeit bietet Bitcoin eine Möglichkeit, die negativen Folgen von Inflation und staatlicher Intervention zu umgehen. Er beschreibt Bitcoin nicht nur als eine technische Innovation, sondern als eine moralische Revolution, die die Verantwortung und Freiheit des Einzelnen wieder in den Mittelpunkt stellt.

Der Bitcoin Standard

„Der Bitcoin-Standard“ ist weit mehr als ein Buch über Bitcoin – es ist eine tiefgehende Analyse der Geschichte, Ethik und Ökonomie von Geld. Saifedean Ammous schafft es, die technischen und wirtschaftlichen Aspekte von Bitcoin in einen breiten historischen und philosophischen Kontext zu stellen. Seine Rückgriffe auf die Österreichische Schule der Nationalökonomie verleihen dem Buch eine intellektuelle Tiefe, die über die üblichen Diskussionen über Kryptowährungen hinausgeht.

Ammous’ klare Unterscheidung zwischen solidem und unsolidem Geld sowie seine Betonung der ethischen Implikationen machen dieses Werk zu einer Pflichtlektüre für jeden, der sich nicht nur für Bitcoin, sondern auch für die grundlegenden Fragen des Geldes und der Wirtschaft interessiert. Egal, ob man mit allen Thesen des Autors übereinstimmt oder nicht – dieses Buch regt zum Nachdenken an und liefert wertvolle Einsichten in die Bedeutung von Geld in unserer Gesellschaft.