Bitcoin: Ponzi-Schema oder Genossenschaftliche Infrastruktur? Ein Vergleich

 in unserem kleinen Dorf gab es früher eine Meierei-Genossenschaft als Zusammenschluss der Bauern des Ortes und seiner näheren Umgebung zur gemeinschaftlichen Verarbeitung der auf den Höfen produzierten Milch.

Die Meierei-Genossenschaft Kaltenhof

Nach dem Krieg wurde das ehemalige Gut Kaltenhof, das einem einzelnen Gutsherren gehörte, aufgelöst und mit zahlreichen neuen Bauernstellen, meist für Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten des “Reiches”, aufgesiedelt. Diese Bauern hielten auf ihren Feldern Kühe, hatten ihren Kuhstall und ihre Melkvorrichtung und schlossen sich genossenschaftlich zusammen, um ihre Produkte gemeinsam herzustellen und zu vermarkten: Ein Milchwagen fuhr täglich zu den jeweiligen Höfen und sammelte die Milch ein, in der Meierei wurde diese zu Milch, Sahne und weiteren Milchprodukten verarbeitet.

Als kleiner Junge ging ich öfter mit der Blechkanne in diese Meierei, um frische Milch zu kaufen oder eben auch ein Stück frischer Butter vom großen Butterblock. Und keine Milch, keine Butter, keine Sahne schmeckte mir je besser. Und die Kaltenhofer Butter war regional weit verbreitetet und beliebt.

Ist Bitcoin eine Genossenschaft?

Lässt sich das System Bitcoin nicht auch als eine große Genossenschaft verstehen, zu der sich immer mehr Menschen zusammenschließen, um eine gemeinsame Infrastruktur mit spezifischen gewünschten Eigenschaften zu nutzen? Diese Infrastruktur wird selbst gebildet von engagierten Mitgliedern der Gemeinschaft, die Nodes und Miner betreiben.

Es geht also primär darum, dass uns Nutzern von Bitcoin in irgendeiner Form diese Infrastruktur zur Verfügung steht, d. h. für uns ist die Existenz von Bitcoin mit seinen Möglichkeiten wichtig, nicht aber, mit Bitcoin zu traden, um in der FIAT-Währung reich zu werden (wenngleich zu den erwünschten Wirkungen von Bitcoin zählt, dass er durch seine mengenmäßige Begrenztheit vor inflationsbedingtem Wertverlust zumindest schützen sollte). Wir wollen die Selbstständigkeit, Autonomie, Vertrauenslosigkeit, Zensurfreiheit und Unabhängigkeit und Stabilität, die dieses System gewährleistet und auch in Zukunft zu gewährleisten verspricht.

Gerade in der – wohl durchaus rückständigen, aber auch typisch moralisierenden – deutschen Diskussion von Bitcoin finden sich immer wieder und auch aktuell Kritiker, die Bitcoin vorwerfen, nichts als ein – letztlich betrügerisches – Ponzi-Schema zu sein. Diese Argumentation wird z. B. vertreten von Christian Rieck, Maurice Höfgen, wobei Rieck durchaus anerkennt, dass es sich für die Bitcoiner um eine sinnvolle Infrastruktur handelt.

Bitcoin, die weltweit erste und bekannteste Kryptowährung, wird also heiß diskutiert. Während Befürworter sie als revolutionäre Technologie feiern, gibt es eben kritische Stimmen, die Bitcoin mit einem Ponzi-Schema vergleichen. Gleichzeitig könnte man Bitcoin auch mit genossenschaftlichen Infrastrukturen vergleichen, die gemeinschaftlich betrieben und verwaltet werden. In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick auf diese Vergleiche, um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Bitcoin, Ponzi-Systemen und genossenschaftlichen Modellen zu verstehen.

Was ist ein Ponzi-Schema?

Ein Ponzi-Schema ist ein betrügerisches Finanzsystem, bei dem Investoren durch das Versprechen hoher Renditen angelockt werden. Das Besondere an einem Ponzi-Schema ist, dass die Gewinne nicht aus realen Erträgen stammen, sondern aus den Einlagen neuer Investoren finanziert werden. Das System hält so lange, wie genügend neue Investoren hinzukommen, die das Geld für die Auszahlung der älteren Investoren aufbringen. Früher oder später bricht es jedoch zusammen, da es mathematisch unmöglich ist, die versprochenen Gewinne dauerhaft zu erwirtschaften.

Was ist eine Genossenschaft?

Eine Genossenschaft ist eine demokratisch geführte Organisation, die von ihren Mitgliedern gemeinschaftlich betrieben wird. Ziel ist es, den Mitgliedern einen Nutzen zu bieten, anstatt maximalen Profit für Außenstehende zu generieren. Die Mitglieder einer Genossenschaft sind gleichzeitig Eigentümer und Nutzer der bereitgestellten Dienste. Gewinne werden nicht einseitig verteilt, sondern fließen zurück in die Gemeinschaft oder werden reinvestiert, um das Angebot zu verbessern.

Bitcoin: Ponzi-Schema oder dezentralisierte Genossenschaft?

1. Gemeinsamkeiten zwischen Bitcoin und einem Ponzi-Schema:

  • Frühe Teilnehmer profitieren: In einem Ponzi-Schema wie auch bei Bitcoin haben frühe Teilnehmer einen Vorteil. Diejenigen, die Bitcoin früh gekauft haben, konnten von dem enormen Wertzuwachs profitieren. Ähnlich wie in einem Ponzi-System sind es oft die späteren Investoren, die höhere Risiken tragen, da der Markt irgendwann gesättigt ist und das Preiswachstum langsamer wird oder sogar einbricht.
  • Fehlende intrinsische Werte: Kritiker werfen Bitcoin vor, keinen intrinsischen Wert zu haben, da er nicht durch reale Vermögenswerte oder Dienstleistungen abgesichert ist. Auch bei Ponzi-Schemata gibt es keine echten Werte, da das System nur durch den Geldfluss neuer Teilnehmer aufrechterhalten wird.

2. Unterschiede zwischen Bitcoin und einem Ponzi-Schema:

  • Transparenz und Dezentralisierung: Während Ponzi-Schemata auf Intransparenz und Lügen aufbauen, ist Bitcoin ein Open-Source-Protokoll. Jeder kann den Code einsehen, und das Netzwerk wird dezentral betrieben. Es gibt keine zentrale Autorität, die das System manipuliert oder kontrolliert. Im Gegensatz dazu wird ein Ponzi-Schema zentral von einem Betrüger geführt.
  • Kein Versprechen auf Gewinne: In einem Ponzi-Schema werden den Teilnehmern konkrete Gewinne versprochen. Bitcoin verspricht jedoch keine Rendite; es handelt sich um eine Währung, deren Wert von Angebot und Nachfrage abhängt. Während einige auf steigende Kurse spekulieren, bietet Bitcoin an sich keine Garantie auf Gewinne.
  • Dauerhaftigkeit des Systems: Ein Ponzi-Schema ist per Definition nicht nachhaltig und bricht zwangsläufig zusammen, wenn keine neuen Investoren hinzukommen. Bitcoin hingegen könnte theoretisch unbegrenzt weiter existieren, solange es Menschen gibt, die das Netzwerk nutzen und ihm einen Wert zuschreiben. Sein Überleben hängt nicht von einem ständigen Zufluss neuer Gelder ab.

3. Vergleich mit einer Genossenschaft:

  • Dezentralisierte Kontrolle: Genau wie eine Genossenschaft wird Bitcoin dezentral verwaltet. Anstatt einer zentralen Instanz entscheiden die Nutzer des Netzwerks gemeinschaftlich über das Protokoll und seine Weiterentwicklung. In diesem Sinne ähnelt Bitcoin einem genossenschaftlichen Modell, bei dem es keinen zentralen Besitzer gibt, sondern das Netzwerk von seinen Nutzern getragen wird.
  • Gemeinsames Ziel: Während Genossenschaften ein gemeinsames wirtschaftliches oder soziales Ziel verfolgen, zielt Bitcoin darauf ab, eine Alternative zu herkömmlichen Finanzsystemen zu bieten, die ebenfalls von einer globalen Gemeinschaft betrieben wird. Die Motivation mag unterschiedlich sein, aber in beiden Fällen ist die kollektive Beteiligung der Kern des Systems.
  • Rückflüsse und Erträge: In Genossenschaften werden Erträge oft zurück an die Mitglieder verteilt oder für den Ausbau der Infrastruktur verwendet. Bei Bitcoin fließen die Erträge eher an die Miner, die das Netzwerk sichern. Zwar wird hier nicht im klassischen Sinne ein “Nutzen” für alle geschaffen, aber die Idee der Belohnung für den Erhalt des Systems ähnelt der Funktionsweise einer Genossenschaft.

Schlussfolgerung

Bitcoin weist sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zu Ponzi-Schemata und genossenschaftlichen Strukturen auf. Wie ein Ponzi-Schema haben frühe Investoren einen Vorteil, und Bitcoin hat keinen intrinsischen Wert in Form von physischen Vermögenswerten. Jedoch unterscheidet es sich grundlegend durch seine Dezentralität, Transparenz und das Fehlen eines betrügerischen Versprechens auf garantierte Gewinne. Auf der anderen Seite teilt Bitcoin mit genossenschaftlichen Strukturen die Idee einer dezentralen Kontrolle und kollektiven Teilnahme, auch wenn die finanziellen Rückflüsse und die Motivation der Teilnehmer unterschiedlich sind.

Letztendlich hängt die Bewertung von Bitcoin stark davon ab, aus welcher Perspektive man das System betrachtet. Es lässt sich schwer in herkömmliche Kategorien einordnen, da es eine völlig neue Art von dezentraler, digitaler Infrastruktur darstellt, die weder vollständig einem Ponzi-Schema noch einer klassischen Genossenschaft entspricht. Bitcoin ist ein Experiment in finanzieller Dezentralisierung, dessen Erfolg oder Misserfolg weiterhin zu beobachten sein wird.

Kriterium Bitcoin Ponzi-Schema Genossenschaft
Frühe Teilnehmer profitieren Ja, frühe Investoren profitieren von Kursgewinnen Ja, frühe Teilnehmer profitieren von neuen Einlagen Nein, alle Mitglieder profitieren gleichmäßig
Transparenz Ja, Open-Source und öffentlich einsehbar Nein, intransparent und betrügerisch Ja, Entscheidungen werden gemeinsam und transparent getroffen
Dezentralisierung Ja, keine zentrale Instanz Nein, zentral kontrolliert Ja, von den Mitgliedern gemeinsam betrieben
Gewinne und Renditen Keine garantierten Gewinne, abhängig von Marktentwicklung Garantierte (aber betrügerische) Renditeversprechen Gewinne werden fair an alle Mitglieder verteilt
Intrinsischer Wert Kein intrinsischer Wert, basiert auf Angebot und Nachfrage Kein intrinsischer Wert, basiert auf neuen Einlagen Intrinsischer Wert durch Nutzung und gemeinschaftlichen Nutzen
Nachhaltigkeit Theoretisch unbegrenzt, solange Nutzer es nutzen Nicht nachhaltig, bricht zusammen, wenn keine neuen Teilnehmer hinzukommen Nachhaltig, solange es Mitglieder gibt, die partizipieren