Eine neue „Matrix der Geschichte“?
Während meines Studiums bin ich von einem amerikanischen Mitstudenten auf die Schriften von Immanuel Velikovsky aufmerksam gemacht worden, speziell „Welten im Zusammenstoß“. Dessen Werk fand ich unmittelbar faszinierend in seiner radikalen Umininterpretation der traditionellen „Geschichte“ durch die Annahme heftiger kosmischer Katastrophen, wie sie sich in der Mythenwelt der Menschen weltweit spiegeln. – Damit stand die gesamte Schul-Lehre von der Geschichte zur Disposition. Es gab jedoch für mich keine Möglichkeit, den Wahrheitsgehalt seiner Thesen zu prüfen, so blieben Velikovskys Werke für mich nur spannende Unterhaltung.
Immer wieder tauchten dann in den Medien Berichte über andere Autoren auf, die eine Korrektur der gängigen Geschichtsauffassung in Angriff nahmen: So betrachtet Heribert Illig in seinem Buch „Das erfundene Mittelalter“ weite Teile des Mittelalters als erfunden, darunter Karl den Grossen.
Schließlich stieß ich auf den Namen von Anatoly T. Fomenko, einen russischen Mathematiker und Geschichtsforscher, der mit statistischen Methoden die Plausibilität der tradierten Chronologie untersucht. Zur Einführung in sein Werk und in die neue Disziplin der „Chronologiekritik“, in der die Kritiker der traditionellen Geschichtsauffassung versammelt sind, befasste ich mich mit dem Buch von Christoph Pfister „Die neue Matrix der Geschichte“. Leider aber war diese „Einführung in die Geschichts- und Chronologiekritik“ nicht sehr überzeugend: der Autor setzt, was er beweisen möchte, erstmal schon voraus. So gilt ihm als feste Grundthese, dass die bekannte Geschichte erst vor ca. 300 Jahren begann, also etwa um 1700 bis 1750. Alles davor sei unzugänglich und/oder gefälscht, und zwar von Fälschern in einer „Grossen Aktion“ mit dem Ziel, sämtliche „Geschichte“ als Geschichte des Christentums darzustellen und mit einer irreal langen Alten Geschichte zu unterlegen. Es fehlt auch für den willigen Leser jede nach vollziehbare Herleitung dieser These.
Besonders ermüdend im Buch ist der Umgang mit Orts- und Personennamen, die der Autor auf recht willkürliche Weise ummodelt und zur Grundthese passend macht: alles soll in irgendeiner Weise auf eine christliche Tradition zurückgeführt werden. Beispiel: „CICERONEM = CCRN > NRSS = NARSES Aber auch CCRM > SCLM = SICILIAM = Sizilien“ (S. 394) , und so geht das seitenweise weiter, ohne dass hierfür strikte nachvollziehbare Regeln erkennbar sind.
Hinweise auf eine andere Chronologie als die vom Autor vertretene bügelt Pfister immer wieder als „absurd“ ab, auch dies ohne nähere Begründung.
Fazit: So interessant und sicher erforderlich eine kritische und dekonstruktive Auseinandersetzung mit der Geschichtswissenschaft ist, so wenig trägt leider dieses Buch von Christoph Pfister dazu bei.