Casablanca Revisited
Anlässlich einer Sondervorstellung des Films im lokalen Kino habe ich ihn mir noch einmal angesehen:
“Casablanca” (1942) ist zweifellos ein zeitloser Klassiker, der auch heutzutage noch fasziniert. Der Film beeindruckt durch seine dichte Handlung und die Fülle der darin ablaufenden Ereignisse. Es ist erstaunlich, wie dynamisch der Film ist, dabei aber in den Musiknummern und humoresken Einlagen auch Verschnaufpausen zulässt.
Aber dann entwickelt sich alles ständig weiter, Allianzen werden geschlossen und gebrochen, Verbindungen entstehen und vergehen, und Rückblenden sowie komische Momente tragen zur fesselnden Atmosphäre bei. Es scheint, als wäre alles, was einen Film unterhaltsam macht, auf rasante Art und Weise in “Casablanca” vereint.
Der Film schafft es, die Entwicklung der Weltpolitik während des Zweiten Weltkriegs prägnant und beispielhaft im Brennpunkt Casablanca zu fokussieren: Das Vichy-Regime in Frankreich blockiert für Flüchtlinge aus Europa den Weg in die USA, das “gelobte Land”, und erzwingt damit den Umweg über Casablanca im (noch) freien Französisch-Marokko.. Von dort geht es per Flugzeug nach Lissabon, von Lissabon aus mit Schiffen in die USA.
Casablanca war im Zweiten Weltkrieg tatsächlich ein bedeutender Dreh- und Angelpunkt für die Flucht von Nazi-Verfolgten aus Europa. Casablanca befand sich zu dieser Zeit unter der Kontrolle des Vichy-Regimes, das mit den Nazis kollaborierte. Dennoch war die Stadt aufgrund ihrer geografischen Lage ein wichtiger Hafen und ein Knotenpunkt für Flüchtlinge, die versuchten, von Europa in die Vereinigten Staaten oder andere sichere Häfen zu gelangen.
Die Flucht aus Europa nach Casablanca war jedoch nicht einfach. Es erforderte oft gefälschte Papiere, Schmuggel und das Überwinden zahlreicher bürokratischer Hürden. In Casablanca selbst gab es verschiedene Fluchthilfenetzwerke und Organisationen, die den Flüchtlingen halfen, sichere Passage zu finden und vor Verfolgung zu schützen. Eine der bekanntesten Organisationen war die American Relief Center, die von Varian Fry geleitet wurde und Tausenden von Flüchtlingen half, darunter viele prominente Künstler, Intellektuelle und Wissenschaftler.
Im Film trifft ein Widerstandskämpfer – Viktor Laszlo – auf einen ehemaligen Widerstandskämpfer – Richard Blaine -, von dem wir uns wünschen, dass er wieder zum Widerstand zurückkehrt, weil er eigentlich ein „gutes Herz“ hat. Jedoch erleben wir ihn enttäuscht und verbittert: “Ich halte für niemanden meinen Kopf hin”, sagt er mehrfach; vielleicht liegt die Ursache gerade in seiner gescheiterten Liebesgeschichte, von der wir im Film erfahren. Diese Liebesgeschichte, die in die Geschehnisse verwoben ist, verleiht dem Film die für den Betrachter erforderliche emotionale Tiefe.
Darüber hinaus werden die Schicksale verschiedener Personen schlaglichtartig präsentiert: Eine Frau etwa, die kein Transitvisum bekommt, zweifelt, ob sie sich sexuell mit dem Polizeichef einzulassen muss, um Casablanca mit ihrem Mann verlassen zu können. Rick, der ehemalige Widerstandskämpfer und Besitzer des Cafés und illegalen Spielsalons, hilft ihr, dies zu vermeiden, indem er ihr zu einem unerwarteten Gewinn beim Roulette verhilft. All diese Geschichten sind eng miteinander verknüpft und fügen sich stimmig in die Handlung ein. Überhaupt erscheint jede Person als Individuum, das in seine persönliche Existenz “geworfen” ist, das seine eigene Agenda verfolgt unabhängig von übergeordneten Entitäten wie Staat oder dem archaischen Bezugsrahmen Familie oder gar Clan. Gerade die Referenz auf das Ordnungssystem Familie ist in moderneren Filmen mangels anderer allgemein verbindlicher “Werte” leider oftmals die einzige stereotypische Orientierungshilfe für die Handlung der Personen.
Sehr wichtig ist auch die Rolle der Musik im Film, nicht nur in der Figur des Sam und der von ihm eingespielten Musikstücke, sondern auch der wegen der zielgerichtet eingesetzten Filmmusik. Auch insofern ist der Film auch ein Stück bester Unterhaltungsfilm.
Besonders beeindruckend ist natürlich die unwiderstehliche Liebesgeschichte zwischen Ingrid Bergmann und Humphrey Bogart. Die Chemie zwischen den beiden Schauspielern ist spürbar, und ihre Darstellung der Charaktere zieht die Zuschauer in den Bann. Ihre Beziehung ist voller Leidenschaft und Konflikte, was den Film umso mitreißender macht.
“Casablanca” erklärt, stellt dar, begründet und entwickelt enorm viel, während heutzutage viele Filme sich auf schnelle One-Liner oder kürzere elliptische Abschnitte beschränken. Natürlich gibt es Ausnahmen wie Quentin Tarantino mit seinem Film “Inglourious Basterds”, der sich geradezu in Dialogen suhlt.. Die Regel ist jedoch, dass Filme oft nur noch zwei Erklärungs-Formeln für das Handeln ihrer Protagonisten zu kennen scheinen: “Ich hatte keine Wahl” oder “Du musst mir vertrauen” oder einer Kombination beider, was auf die Dauer etwas langweilig ist.
Insgesamt ist “Casablanca” ein beeindruckender Film, an dem sich heutige Filmemacher ein Beispiel nehmen sollten. Es ist eine Meisterleistung, wie viel in die Handlung eingebunden wird und wie stimmig alles zusammenpasst. Die Kombination aus politischem Hintergrund, Schicksalen der Menschen und einer bewegenden Liebesgeschichte macht den Film zu einem intensiven Erlebnis.
Einer der faszinierendsten Aspekte ist die Art und Weise, wie der Film die politischen und historischen Ereignisse des Zweiten Weltkriegs in die Handlung einwebt. Das Vichy-Regime und die Fluchtwege über Casablanca symbolisieren die Schwierigkeiten und Gefahren, mit denen Menschen konfrontiert waren, die aus Europa in die Vereinigten Staaten fliehen wollten. Es wird deutlich, dass Casablanca ein Dreh- und Angelpunkt für diese Fluchtbemühungen war und dass diejenigen, die dort gestrandet waren, oft in einer gefährlichen und unsicheren Situation waren.
Die Dialoge in “Casablanca” sind legendär und haben sich in das kollektive Filmgedächtnis eingebrannt. Sprüche wie “Schau mir in die Augen, Kleines”, der ganze vier Mal wiederholt vorkommt, und “Wir werden immer Paris haben” sind zu Klassikern geworden.
“Eigentlich” ist ja der Originaltext “nur” ein Trinkspruch, aber er fällt oft genug an den entscheidenden ‘Stellen’, um tiefere Bedeutung zu gewinnen und damit die so ganz andere deutsche Synchronisation zu rechtfertigen:
wie in diesem Video erklärt wird.
Die Schauspieler liefern natürlich beeindruckende Leistungen und bringen die Emotionen und die Komplexität ihrer Charaktere gut auf den Punkt.
Die Inszenierung und die atmosphärische Schwarz-Weiß-Fotografie tragen ebenfalls zum Charme von “Casablanca” bei. Die exotische Kulisse der Stadt, die von Spannungen und Intrigen durchdrungen ist, findet sich meisterhaft eingefangen. Die Schattenspiele und die starken Hell-Dunkel-Kontraste verstärken die Stimmung des Films und verleihen ihm eine zeitlose Qualität.
Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt von “Casablanca” ist seine zeitlose Botschaft über Liebe, Opferbereitschaft und moralische Entscheidungen. Der Film stellt die Frage, wie weit man für die Liebe gehen würde und ob man bereit ist, eigene Interessen für das Wohl anderer aufzugeben. Diese universellen Themen machen “Casablanca” zu einem Meisterwerk, das auch heute noch oder gerade sehenswert ist.